Heute …


… verstand eine Kolumnistin nicht, wie es nur sein kann, dass es Autisten angreift, wenn sie ’sozialer Autismus‘ als abwertenden Begriff verwendet. (Um damit völlig unpassend einen Mann zu beschreiben, der in einer glücklichen Paarbeziehung lebt, statt regelmässig einen Saufen zu gehen.)

… in der dazu gehörenden Diskussion auf Facebook, fanden Lamberts Leser, dass solch abwertende Bezeichnungen voll okay sind. Irgendwer beschwerte sich ja immer.

… erfuhr ich, dass die Festhaltetherapie ein Wiedergänger ist. Man nennt sie nun einfach KIT ‚körperbezogene Interaktionstherapie‘, aber weiterhin werden Kinder so lange festgehalten und gezwungen körperliche Nähe zuzulassen, bis sie keine Gegenwehr mehr zeigen.

… musste ich mir die Verharmlosung einer Ergotherapeutin anhören, wie toll die Kinder danach doch Nähe ‚zulassen‘ können.

… musste ich lesen, dass Anbieter dieser Technik sich von den Eltern unterzeichnen lassen, dass es dabei zu Verletzungen ‚Kratzer und blaue Flecken‘ kommen kann und dass sie sich auch vom Kind noch die Einwilligung zur Grenzüberschreitung unterzeichnen lassen. Das Kind wird per Vertrag zum Mitwirkenden an der eigenen Misshandlung gemacht.

… recherchierte ich für das N#mmer-Magazin zu Autismus und medizinischer Misshandlung.

… schwappen immer noch Putin-Autismus-Kommentare durchs Netz.

… schwärmten Artikel davon, mit Stuhltransplantationen Autismus bekämpfen zu können. Kriegsrhetorik mögen wir am liebsten.

… wurde auch in Autismus-Support-Gruppen mal wieder das Märchen von der Austismus-machenden MMR-Impfung aufgewärmt.

… wurde offensichtlich, dass die ABA-Lobby versucht die Politik Baden-Württembergs massiv zu beeinflussen.

… fand jemand Verkehrsplaner/Berliner Behörden seien Autisten. Natürlich total positiv.

… nennt sich ein zweifelhaftes ‚Kunstprojekt‘ ‚Autistic Disco‚ und garniert den Event mit einem Foto auf dem unbeholfen und falsch geschrieben der Aufruf zum Tanz gekrakelt zu sehen ist. Hier scheint man ‚Autistic‘ anstelle vom berechtigterweise in Verruf geratenen ‚Retarded‘ zu verwenden.

… kam dann noch einer mit einem Leo G. Fischeresken coolen Spruch um die Ecke, der scheinbar wieder mal glaubt, wir kokettieren alle nur mit Autismus und bilden uns die existenzsbedrohenden Probleme nur ein.

Ja, es war ein schlechter Tag. Aber ein Tag der auch nicht viel schlechter war als die meisten anderen.

Und ihr wundert euch, warum Autisten schlecht drauf sind und leicht gereizt reagieren, wenn jemand denkt, unser Dasein wäre ein Witz, eignete sich um andere Menschen und ihre Verhaltensweisen abzuwerten oder wir würden uns nur mit einer Modediagnose schmücken.

Währenddessen kämpfen wir darum, dass wir und die Generationen nach uns, Therapien erhalten, die wirklich helfen. Dafür, dass Autisten an-gehört werden und selbst über ihr Leben bestimmen, statt dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird. Dass ihr Wohlergehen mehr zählt, als das Wohlergehen der Eltern, der Gesellschaft oder dem Konto der Therapeuten, die sich mit teuren IGEL-Leistungen wie KIT auf Kosten der geistigen Gesundheit autistischer Menschen gesund stossen. Dass Autismus, im allgemeinen Sprachgebrauch nicht mit ‚Arschloch‘ gleichgesetzt wird. Dass man nicht, wenn einer von uns sagt, ‚ich bin Autist‘ automatisch auf ihn herabsieht. Dass man uns respektiert.

Es ist zu viel. Viel zu viel.

Kämpft gefälligst an unserer Seite, statt gegen uns.

P.S.:

Heute ist echt einer dieser Tage. Es reisst einfach nicht ab.

Dieser über das WP-Feature eingebettet öffentliche Tweet wurde entfernt, weil mich eine der Protagonistinnen (der vorhergehende Tweet wird durch die Einbettungsfunktion mit eingeblendet) mit einer Anzeige bedroht hat. Nicht, dass ich denke, dass diese Anzeige Erfolg hätte – der Tweet war öffentlich, die Einbindungsfeatures von Twitter sind bekannt und können durch die Privacy-Einstellungen unterbunden werden – aber ich möchte der Person persönlich nicht schaden und hätte den Tweet auf eine einfache Bitte hin ohnehin entfernt.

Nicht so den eigentlich eingebetteten Tweet in dem sowohl „Autist“ als auch „Armleuchter“ enthalten waren.

Wer öffentlich „Autist“ als Beleidigung verwendet, kann sich nicht auf ‚Mimimi‘ … Pranger!!11! herausreden. In diesem Artikel habe ich dokumentiert, was uns an einem Tag an Mist zugemutet wird. Es wäre gut, den Mist einfach wegzulassen, statt hinterher mit der Keule zu kommen, weil man dann ja auf einmal selbst schlecht aussieht.

 


20 Comments Heute …

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  2. butterblumenland

    Mir lief heute außerdem noch dieser Fragebogen in den Weg.Nach den Bedürfnissen der autistischen Kinder wird da gar nicht gefragt. Wenn man sich auf der Seite umschaut, wird schnell klar, was dahinter steckt. Auch wieder ABA, Diäten und „Biomedizin“ zu verkaufen. Leider fallen sogar Organisationen darauf rein, die eigentlich ganz klar für die Selbstbestimmung der Autisten eintreten. Die Werbung für diese unangemessenen Therapien wird immer besser versteckt.

    http://www.autzeit.de/home/fragebogen/

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      1. baba

        Jepp! Und Melody Learning Center (siehe Facebook) ist „ganz eng und nah mit“ der Vorsitzenden von autismus Karlsruhe (und nicht mit weiteren 5 Regionalverbänden!!!)

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  3. baba

    Zitat (…) … wurde offensichtlich, dass die ABA-Lobby versucht die Politik Baden-Württembergs massiv zu beeinflussen.(…)
    hier möchte ich darauf hinweisen, dass die ABA-Lobby in Baden-Württemberg allen voran durch Frau Klemm (Vorsitzende von autismus Karlsruhe e.V) „im Sinne der Elternselbsthilfe“ maßgeblich vorangetrieben wird. Man schaue sich die Forderungen an die CDU-Fraktion im Landtag BW zur Anhörung (am 27.10.2014) an. Gerade wegen der Forderung nach den „empirisch belegten“ und „evidenzbasierten“ Verhaltenstherapien – und hiermit ist ABA/VB und AVT in Schulen, Zuhause überall und immer gemeint, mit einer Mindeststundenzahl von 20-30 Stunden / Woche, gab es Dissensen mit 5 anderen Regionalverbänden in Baden-Württemberg. Das hat Frau Klemm nicht davon zurückgehalten die großen Verfechter dieser Methoden nach Stuttgart zu holen (Prof. Röttgers) und es hält sie nicht davon ab, auf der Facebookseite auf Autism Speaks und auf diverse ABA-lastigen Seiten zu verweisen.
    Leider hat sie es geschafft, ABA bis in den Landtag zu bringen und zwar als „einzig wirksame Methode“!!!
    Ich selbst bin Mitglied in einem Regionalverband und SHG-Teilnehmerin: wir , wie auch unserer Vorstand lehnen diese Art von Forderungen ab…inhaltlich insbesonderer den „evidenzbasierten Therapien“ betreffend.
    Lest Euch mal die Facebookseite von autismus Karlsruhe durch!

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  10. creezy

    „… in der dazu gehörenden Diskussion auf Facebook, fanden Lamberts Leser, dass solch abwertende Bezeichnungen voll okay sind. Irgendwer beschwerte sich ja immer.”

    Ja, stimmt. Aber es gab in der Diskussion Kommentare, die das genau nicht okay fanden und dagegen gesprochen haben. Ich finde, es ist sehr wichtig auch mal das Gute zu sehen. Zu sehen, dass man auch „Mitkämpfer” hat, sonst frisst Dich/Euch eines Tages das Erleben noch auf.

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  11. diogenes

    Es tut mir leid, dass der Radfahrerkommentar dich trifft. Wenn Radfahrer den Autofahrer (motorist in der englischsprachigen Diskussion) Autist nennen, machen sie ein reines Wortspiel, bei dem sie, glaube ich, nicht einmal im Entferntesten an neurodiverse Menschen denken. Ich kann gerade nicht mal sicher ausschließen, dass ich das nicht auch schon geschrieben habe, ohne dass es mir überhaupt aufgestoßen wäre. Der Tweet macht ja auch überhaupt keinen Sinn, wenn du ihn auf Behörden statt Autofahrer beziehst.

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    1. AlterEgon

      Klar… weil der Großteil der Menschen im deutschen Sprachraum das englische Wort motorist auch nur kennen, und Menschen im englischen Sprachraum die Silbe „Aut-“ mit Autos in Verbindung bringen würden. Man kann sich immer eine Erklärung an den Haaren herbeiziehen, wenn man lange genug sucht…

      Mit besten Grüßen, ein Muttersprachler, Deutsch/Englisch, Übersetzer, Linguist, Anglist und täglich im deutschenu nd englischen Sprachraum unterwegs seineder Autist.

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