Am Wochenende stieß ich auf eine Studie, zur Effektivität von Diäten bei Autismus. Man sollte meinen, dass Wissenschaftler inzwischen aufgehört hätten, das tote Pferd zu reiten, aber dem ist nicht so. Also hab ich mal genauer reingeschaut und das Ergebnis heute auf Twitter erzählt …
Weil ich gerade ohnehin schlechte Laune hab, soll ich etwas über die neue 'Diäten gegen Autismus'-Studie ranten, die ich am WE gelesen habe? Soll ich? Soll ich?
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Nun denn. Alleine schon, weil diese Rotz-Studie vermutlich in der Zukunft ins Spiel gebracht werden wird, wenn MAL wieder über Autismus und Diäten diskutiert wird. Wir erinnern uns an dieses Zitat daraus: https://t.co/vlYpF2RkYx
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Also Schwurbel es Schwurbel can. Spätestens bei "Epsom salt baths" sollte jeder aufhorchen, denn da geht es nicht mehr um eine Diät oder ähnliches, sondern um "Detox".
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Das gibt einem zumindest eine Idee davon, dass es den Erschaffern der Studie als plausibel erscheint, dass Autismus durch 'Umweltgifte' entstanden ist.
Die gleichen (Haupt-)Autoren hatten auch bereits 2008 eine Studie zur diätischen Behandlung von Autismus veröffentlicht.— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
10 Jahre, und nix dazu gelernt. Sie behaupten "Several studies suggest that customized vitamin/mineral supplementation is beneficial for children with ASD." Das ist schlicht Bullshit und das sollten sie auch wissen. Keine Studie mit guter Qualität kam auf das Ergebnis.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Es gibt Metastudien, die die fehlende Qualität belegen. Man muss also schon Cherrypicking betreiben und Metastudien ignorieren, wenn man weiter an der Einstellung festhalten will. Ein paar Sachen hatte ich hier zusammengefasst: https://t.co/bpOk4C1Hqj
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Diese aktuelle Studie hatte drei Gruppen. Darunter zwei Gruppen Autisten, eine, die behandelt wurde, eine die nicht behandelt wurde und eine neurotypische Kontrolle. Und jetzt wird es lustig.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Die Kinder der beiden Autistengruppen wurden randomisiert. Also es gab keine Vorauswahl, wer Behandlung oder keine Behandlung erhält. Die neurotypischen Kinder nicht. Öh. pic.twitter.com/ArDMvIzfsu
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Um irgendeine Aussage treffen zu können ob das bei Autismus hilft, hätte ich ja mindestens erwartet, dass nichtautistische Kinder ebenfalls 'behandelt' werden und dann geschaut wird, ob sich bei denen was verändert und wenn ja was.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Der Gruppe der Nichtautisten wurde zu Beginn der Studie Blut abgenommen und dann Morgenurin kontrolliert. Sonst, wenn ich nicht sehr falsch gelesen habe: nüscht.
Öh. pic.twitter.com/UxfFDQjHCS
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
(Wobei ich die Blutabnahme schon kritisch sehe, weil es dafür keine medizinische Notwendigkeit gab.)
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Hier nochmal ein hoffentlich funktionierender Link zu meiner Diigo-Kollektion mit Studien zur diätischen Behandlung von Autismus https://t.co/bfMXY8wW1O
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Die beiden 'randomisierten' Gruppen umfassten je 27 bzw. 28 autistische Kinder. Das es schwer wäre eine Diätenstudie zu verblinden ist klar, aber es ist nicht unmöglich.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Wenn man wirklich will. Wer mag, kann sich mal die Folge "Basement Tapes" anhören https://t.co/grcARp6VZy wie das in einer sehr großen ernährungsmedizinischen Studie gemacht wurde. In diesem Fall wurde z.B. auf Personen zurückgegriffen, die in Institutionen lebten.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Das wäre, behaupte ich mal, auch bei autistischen Kindern gegangen, wenn man es wirklich darauf angelegt hätte, solide Daten zu erheben.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
So war man aber auf die Mitarbeit der Eltern angewiesen und es wussten sowohl die Forscher als auch die Eltern wer in der Versuchsgruppe war und wer in der Kontrollgruppe. Die Kontrollgruppe erhielt nämlich keine Placebo-Supplemente, sondern nüscht. Jar nüscht.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Und hier will ich euch folgendes Zitat nicht vorenthalten:
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
""The Non-treatment group was promised that they would receive all the supplements and diet advice at the end of the study if they made no major changes to any educational interventions for 12 months, which helped minimize the drop-out rate."
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Wenn ich mir die Formulierung genau ansehe, dann ziehe ich daraus (und aus dem Rest des Papers) folgenden Schluß:
Sowohl die Forscher, als auch die Eltern BEIDER Gruppen glaubten bereits vor der Studie an die Wirksamkeit der diätischen Behandlung.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Das ist natürlich total unvoreingenommen.
NICHT.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Also die Eltern der Versuchsgruppe fütterten ihre Kinder glücklich mit Nahrungsergänzungsmitteln und eine gluten-, casein und sojafreien Diät, die anderen grummelten, dass sie ein Jahr lang auf diese tollen Dinge verzichten mussten.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Und wie das immer so ist, wenn man WEISS wer behandelt wird und wer nicht, dann kicken alle möglichen Mechanismen ein, mit denen sich unser Hirn so gerne selbst belügt.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Mechanismen, die uns im Normalfall schützen, z.B. davor handlungsunfähig zu werden, die uns aber auch das Weltbild erhalten lassen, das wir bereits haben. Um diese Mechanismen auszutricksen und aussagekräftige Studien zu erhalten, braucht man randomisierte, verblindete Forschung.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Zum Beispiel: Confirmation Bias = wir sehen nur die Faktoren, die den vorgefassten Glauben bestätigen
oder
Sunk cost fallacy = wir wollen uns nicht eingestehen, dass wir Geld und viel Mühe in einer nutzlosen Maßnahme oder einem nutzlosen Produkt versenkt haben & finden es toll.— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Wenn also Leuten eingeredet wird, das Zeug ist toll und sie ein Jahr lang ihren Alltag enorm anpassen müssen, um die Supplemente und vor allem die Diät zu implementieren, dann werden davon wie viele vor allem auf die Sachen achten, die sich positiv zu entwickeln scheinen? Richtig
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Während die, die sich einer Chance beraubt sehen, sehr wahrscheinlich im gleichen Jahr vor allem die negativen Entwicklungen bemerken.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Solche Studienvorraussetzungen entwirft man WENN MAN DAS ERGEBNIS, DAS MAN HERAUSFINDEN WILL LÄNGST FESTGELEGT HAT.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Als wäre das nicht genug, wird vor Beginn der Studie und während ja noch mein Lieblings-'Diagnose'-Werkzeug genutzt, der ATEC.
Das ist ein Test des pseudowissenschaftlichen "Autism Research Instituts" und dient eigentlich zur Therapiebeobachtung.— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Aber selbst für diesen Zweck wird sein Nutzen bezweifelt.
Beispielsweise ist das der Test, den MMS-Anwender nutzen, um sich in einer Woche plötzlich aufgetretenen "Autismus" zu bescheinigen, den sie dann nach MMS-Einnahme umgehend "geheilt" haben.— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
"There were significantly greater improvements on the total score of the ATEC for the treatment group compared to the non-treatment group …" Ja, ne. Bei einem Questionair das quasi hauptsächlich von Eltern beobachtete Befindlichkeiten abfragt: BIG SURPRISE.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Und natürlich, um das Sahnehäubchen aufzusetzen, befinden sich unter der verwendeten Literatur auch die Studien meiner Lieblinge aus Ägypten, die quasi ständig 'erfolgreiche' Diät-Studien bei Autismus produzieren. Immer auf Basis von 'Messungen' mit dem ATEC.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Wenn du ein Pet-Theorie hast und sie UN-BE-DINGT bestätigt sehen willst, dann verzichtest du auf verblindete Studien und nutzt den ATEC. Um mal so eine kurze Erfolgsformel für schlechte Autismusstudien aufzustellen.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Noch ein paar Tidbits:
"210. It should be noted that compliance with the healthy HGCSF diet was lower than for the other treatments, so benefit might have been somewhat larger if compliance was higher."Welch Wunder. Eine komplexe Diät in den Alltag einzubauen ist etwa schwer?
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
"Healthy HGCSF diet: One parent reported that implementation of the diet in a strict manner resulted in increased aggression towards peers, inability to problem solve, and increased spinning behavior, probably due to frustration in regards to removal of favorite foods."
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Das ist exakt, was wir hier auch immer predigen: autistische Kinder haben ohnehin schon starke Ernährungsvorlieben und Abneigungen. Das Nahrungsangebot durch Diäten einzuschränken, ist schlicht Quälerei.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Halten wir fest: mit unter 30 Kindern pro Gruppe eine noch ziemlich kleine Stichprobe. Eine unsinnige neurotypische Kontrollgruppe. Voreingenommene Einstellung. Voreingenommene Auswertung. Und angesichts der bisher fehlenden Evidenz ethisch nicht vertretbar, da auch invasiv.
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Bewiesen wurde nur, dass die Forscher fähig sind eine Studie so zu entwerfen, dass sie das gewünschte Ergebnis erhalten. pic.twitter.com/Fdinqh06sw
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Achja. Erschienen ist die Studie in einem Journal, das stark im Verdacht steht ein "Predatory Journal" zu sein. Also für Geld alles zu drucken, das nicht bei drei auf dem Baum ist und das ohne ernsthafte Peer Review.
Link zur Studie: https://t.co/K8cYM2Klgc
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
FIN
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018
Unnötig zu erwähnen, dass die Studie bereits bei Organisationen, die "biomedizinische" Behandlung gegen Autismus anbieten, abgefeiert wird. https://t.co/EiN45HgnOX
— Mela Eckenfels (@Felicea) June 25, 2018