Was mich zunehmend ankotzt, sind aufgeklärte, liberale, gebildete Menschen, die glauben Autismus sei ein gutes Synonym, ein gutes Stilmittel. Und die weiter glauben, dass das natürlich keine Beleidigung für Autisten wäre.
Obwohl sie „Autismus“ nie positiv konnotiert verwenden, sondern als Synonym für Ignoranz, Kaltherzigkeit oder Rücksichtslosigkeit und sie nicht einmal davor zurückschrecken, Autisten mit unbelebten Objekten gleichzusetzen.
Die, wenn sie darauf hingewiesen werden, nicht einmal die Arschbacken zusammenkneifen können, und sagen können „Ja, das war Mist. Es tut mir leid“. Sondern die sich dann als die eigentlichen – mißverstandenen – Opfer sehen. Als die eigentlich beleidigten, denn in ihrer weltoffenen Aufgeklärtheit beleidigen sie natürlich niemanden. Das klingt dann bei ihnen nur so, als würde sich ein CDU-Politiker rechtfertigen Schwule nicht beleidigt zu haben. Ehrlich!!!11!:
Er stellt sich dahin und diskriminiert Homosexuelle und meint mit dem Zusatz, dass er Homosexuelle mit seinen diskriminierenden Aussagen nicht diskriminieren wollte wäre alles in Ordnung?
Carsten Dobschat
Natürlich ist es beleidigend für Autisten, wenn jedwede schlechte Eigenschaft, jedwede architektonische Wüste, jedwede menschenferne Politik nun auf einmal „Autismus“ genannt wird. Weil es natürlich keine isolierte und zufällige Begriffsähnlichkeit ist, sondern Vorurteilen über Autisten entspringt. Das wird noch deutlicher wenn sich die Autismus-als-Schimpfwort-Anwender damit rechtfertigen, dass sie ja „Autisten kennen“ und „die eben so ganz ähnlich sind“.
Sowas kommt ernsthaft auch regelmässig von Menschen, die selbst Diskriminierung und Vorurteile kennen. Die auch gegen Vorurteile ankämpfen müssen, dass alle Homosexuellen promiskur sind, weil da jemand mal einen Schwulen kennengelernt hat, der sich gerne durch die Betten vögelte. Sobald es aber um Diskriminierung ausserhalb des eigenen Ökosystems geht, sind alle Vorurteile schwubs belastbare Urteile.
Ich kann damit leben, wenn Vollhonks, die auf dem Feldzug gegen ‚political correctness‘ sind, sich in diesem Punkt unbelehrbar zeigen. Die sind ohnehin nicht satisfaktionsfähig.
Aber ihr, ja ihr … ihr solltet es wirklich besser wissen.
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So einfach ist das aber auch nicht.
Es scheint mir ein wenig überzogene Pikiertheit und Forderung nach politischer Korrektheit gefordert bei der Diskussion über die Verwendung dieses Begriffs.
Es mag daran liegen das allgemein die intuitive Informationsvermittlung im Sinne von Zwischentönen von Aspergern / Autisten weniger wahr genommen wird. Es ist nun mal so, das man einen Menschen, der ein Raucher ist, auch als Raucher bezeichnen kann. Einen Trinker auch als einen Trinker, einen Sportmuffel auch als einen Sportmuffel.
Die Kernaussage konstruiert sich aber nicht nur über den verwendeten Begriff, sondern über die situative dem Beziehungsgeschehen involvierte Kernaussage, die der Sender MEINT und mit Worten zu sagen versucht.
Man kann über diesen Schlechten Stil streiten wenn jemand sagt, das es einen „autistischen Rat“ gäbe, zum Beispiel bei Gesundheitsproblemen erstmal querfeldein Diätratschlage zu bekommen, das kennen wir ADS / Aspies ja auch zur Genüge.
Der Begriff meint doch letztlich nur genau dieses Verhalten, diese Art Hyperfokussierung, die jemand in seinem eingegrenzten Horizont und Wahrnehmung hat und nur noch ein einziges SI an den Tag legt im Sinne einer Zwanghaftigkeit.
Das Umschreibt für mich schon recht sorgfältig den tatsächlichen Zustand des Asperautisten und Autisten.
Ich verstehe nicht das man das nicht einfach als eine Sachinformation deklariert und hinnehmen kann und da so gekränkelt rüberkommt. Ist das einfach das fehlende Verstehen, wie ich vermute?
Das Problem ist bei der Homosexualität ja schon fortgeschritten. Man kann kaum mehr als diese sexuelle Abweichung der Norm (Ja, ich weiß das ist provokativ aber ebenfalls eine Tatsache! ) als Analyse Objekt betrachten. Vor und Nachteile, Ursachen und Theorien kommunizieren. Nun mag das sein, das jemand mit seinem SI hier viel zu viel von anderen einfordert, die an der Oberfläche allgemeiner Standpunkte bleiben.
Es ist wie ich meine eben eine Summe aus Charakterzügen, die jemand hat oder scheinbar durch sein Verhalten imitiert. Wenn das so der Fall ist, dann finde ich den Begriff als einen ganz bestimmten Aspekt eines Kritikpunktes nicht falsch, selbst wenn ich betroffen bin.
Die Dicken unter uns, die Unsportlichen, die Arbeitslosen oder auch ein humpelnder Mensch werden doch auch als Begriffe für bestimmte Redewendungen oder in bestimmte Charakteristika eingeflochten, die man Nicht-Betroffenen wegen einer Laune in einer Situation vorwirft. Die Frage: „Sagmal, bist du Blind?“, wenn Jemand nicht sehen kann, was er sucht, obwohls vor seiner Nase liegt, meint ja auch nicht Blinde oder diskriminiert sie.
Wer humpelt weil er sich den Fuß Verstaucht hat, oder der zu langsam geht dem sagt man auch „Du lahme Krücke!“
Das ist doch alles nur Sprache und letztlich ist Sprache eine sachliche Angelegenheit. Erst der Sender oder Empfänger einer Nachricht macht daraus etwas emotional eingefärbtes und oft interpretiert der Empfänger anders als der Sender es meinte.
Fakt ist, was auch heute weder ADSler noch Aspies oder anderweitig gehandicapte gerne hören und woran niemand gerne erinnert wird: Wir haben einen Tick, einen kleinen „Schaden“ und der ist eine Behinderung und macht uns etwas anders als Andere.
Ich stehe jedenfalls dazu und finde das nicht schlimm, wenn meine Charakteristika für eine Redewendung genommen werden. Das ist üblich. Und es sollte für Behinnderte doch keine Sonderrolle geben. Denn für mich ist das Getue um diese Begriffsauseinandersetzung eine Forderung nach einer Sonderbehandlung, dem Nachzukommen ist dementsprechend eine positive Diskriminierung.
Wir erinnern uns vielleicht noch daran, das Harald Schmidt mal sagte: „Auch ein Behinderter hat das Recht verarscht zu werden!“ – Und das ist genau das was gemeint ist.
Entweder ist man beleidigt wenn Autismus als eine Bezeichnung für bestimmte Verhaltensweisen genommen wird, oder man sieht das einfach alle Leute mal ein paar Sprüche über sich ergehen lassen und das ist ja auch die Kunst von Humor, zu wissen, wann man in seiner eigenen Eigenart erwischt wurde und wie im Wortwitz (oder in der alltäglichen Kommunikation ohne Humorkontext) das dann rübergebracht wird.
Schade das man nicht über diesen Begriffen steht und seine eigene Persönlichkeit und Charakterzüge nimmt wie sie sind. Wenn das ein bischen Schräg ist, ist es halt so. Das finde ich nicht schlimm.
MFG
Gegen Deine subjektive Wahrnehmung solcher Aussagen kann man natürlich schlecht was sagen, ich finde aber, dass Dein Vergleich ein bisschen hinkt (oder humpelt, um im Bild zu bleiben).
Wenn jemand sagt „Du lahme Krücke!“ ist das situativ, und ich würde auch nicht davon ausgehen, dass der Sprecher damit gehbehinderte Menschen herab würdigen will.
Etwas anders stellt sich das dar, wenn ein Journalist nach einem Amoklauf den Täter aus „autistisch“ darstellt, so wie das in den Medien in der letzten Zeit vermehrt geschehen ist.
Du musst bedenken, dass die meisten Menschen gar nicht so genau wissen, was Autismus eigentlich ist. Die kennen das Wort, und das was in der Zeitung darüber steht. Und wenn da halt steht „Autisten haben keine Gefühle und können kein Mitleid empfinden“, dann glauben die das. Überprüfen tun solche Aussagen die wenigsten; steht doch in der Zeitung, muss also wahr sein ist da die Devise. Und dann bekommen sie Angst, und fragen „Wieso dürfen diese Leute eigentlich frei rumlaufen, wenn die so gefährlich sind?“
Irgendein hirnrissiger Politiker findet sich dann bestimmt, der solchen Forderungen dann noch Glaubwürdigkeit verleiht, indem er sie aufgreift.
Das Ergebnis ist dann wieder Diskriminierung und Ächtung gegen Autisten. Deswegen halte ich es für wichtig Journalisten darauf hinzuweisen, welche Rolle sie bei der Verbreitung von Informationen über Themen wie Autismus haben.
Und welche enorme Deutungshoheit.
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Ok, die Sache mit den Amokläufen ist doch was ganz anderes.
Einen Täter als Autisten bezeichnen, wenn er einer war, mag als eine Frage noch grade für den Einzelfall angemessen sein, ist aber letztlich genauso blöde als pauschale Ursachenvermutung, wie es der Schützenverein,
Das Problem warum die Medien und die Bürger, für die die Medien schreiben und Empörungszirkus veranstalten, ist doch ein Systemproblem.
Die schieben einfach die Verantwortung auf Andere Ursachen ab, das ist das Ziel und das Angebot.
Es ist bei Amokläufen ein Verständnissproblem da. Die meisten Menschen leben in einem Zustand der ständigen Verdrängung der unangenehmen Wahrheiten und eine davon ist, das in unseren Gesellschaften Verlierer produziert werden. Verlierer, die aber auch alle einen Traum vom Leben haben/hatten. Nicht alle Verlierer wollen das am Ende ertragen und einige rebellieren indem sie mit ihrem Amoklauf beweisen wollen, das sie eigentlich genau das sind oder sein können, was sie sein wollten: Auch Gewinner! Sie können sich so für zu Recht oder Unrecht erlittene Schmach rächen, lassen Neid und Mißgunst ihren Lauf und reagieren ihre Aggressionen ab, weil sie die seelische Kränkung nicht ertragen wollen und oder auch nicht akzeptieren das sie Schwächen haben. Ich entschuldige hier nicht, ich erkläre nur und sage auch nicht, das Amokläufern ausschließlich übel mitgespielt wurde, sondern das auch Amokläufer eben nicht selten zu Recht nicht weiter kamen, weil sie Probleme hatten und diese nicht in den Griff bekamen oder mit falschen Methoden und Mitteln nach einer Lösung strebten. Trotzdem ist es erheblich ein gesellschaftlich verursachtes Problem.
Es ist doch wie im Fall Lanza, da ist sichtbar das diese USAmerikanische Gesellschaft ein Problem hat.
Als der junge Mann Lanza langsam älter wurde und genug über die Welt Begreifen konnte, da merkte er halt das er seinem Vorbild, einem Onkel beim Militär, nicht gleich kommen kann. Er würde nie dort sein können. Ausser der Krankheit würde sein Leben aus kaum etwas anderem bestehen. Man stelle sich genau vor: Ein Kind wird dazu erzogen, zum Militär zu gehen, ein Berufsmörder zu werden und alltäglich mit Waffengewalt zu hantieren. Die scheinbaren Helden dieser Ideale werden als Idole verehrt.
Der gesamte Militarismus, der in den USA zum Leben und zum Bürgerbewußtsein gehört inklusive Präventive Bewaffnung der Bürger gegen eine mögliche zentralistische Monarchie, wie sie in Europa so normal war und sogar noch heute teilweise ist, der rächt sich. Ein Amokläufer aus diesen Gründen, ein Gesellschafts-Verlierer nimmt die Leitbilder einer Gesellschaft auf, wie er sie auch wahrnimmt. Er will sich selbst und den anderen Beweisen das er es drauf hat, das er die Stärke hat, die auch die Gewinnertypen hätten: Ellbogeneinsatz, Rücksichtslosigkeit und Macht. Gerade das wirkt nun mal fatal, wenn jemand ein Werkzeug verwendet, das er sehr gut beherrscht. Schusswaffeneinsatz insbesondere automatische Waffen sind ebenfalls Ausdruck dieses gesellschaftlichen „Fatalismus“, der die Macht als höchstes Ordnungskriterium kennt. Diese Vergötterung der eigenen Machtanmaßung begeht ein Amokläufer, der sich zum Herren aufspielt über andere und fortan über Leben und Tod der Anderen entscheidet und am Ende sich selbst richtet. Das ist ja nicht mehr als eine Illusion, ein solcher Täter bleibt Opfer und Verlierer, nach so einer Tat wird das klarerer als je zuvor.
Es gibt sicher noch andere individuelle Gründe in unterschiedlichstem Ausmaß. Neid, Habgier, Rachsucht, gekränkte Eitelkeit/Ehrverletzung. Außerdem gibt es noch Paranoia, Verfolgungswahn, also pathologische Gründe.
Es ist egal, diese Gesellschaft verdrängt in weiten Teilen das sie selbst in ihrer systemischen Grundstruktur die Ursache für Amokläufe ist. Auch wenn das nicht die gesamte Wahrheit ist, werden hier schon Gründe gesucht die Verantwortung anderen aufzulasten und die Helferindustrie rennt sofort hin und stellt sich heuchlerisch unbedingt als eine bessere Gesellschaft dar.
Genau aus solchen Gründen sind Aussenseiter, die Anders-Artigen immer die Täter, immer die Brunnenvergifter, immer die Sündenböcke. Aber die schweigende Mehrheit, die das Mobbing erlaubt hat, das viele von uns ADS / Asperger Betroffenen unser ganzes Leben kennen, die ist immer nicht schuld und weist jede Verantwortung von sich weg.
Notfalls bedienen sie sich eben einer Diagnose, von der sie keine Ahnung haben. Das ist bösartig, unverschämt und natürlich falsch. Aber so sind die Leute halt, man muss es hinnehmen. Man kann die schweigende Mehrheit eh nicht ändern und auch nur sehr bedingt beeinflussen.
Ich hoffe ich habe das verständlich machen können.
Es sind eben zwei Diskussionen, die Schimpfwortsache und die Verwendung des Begriffes im Rahmen eines Amoklaufes als Sündenbock-Diagnose, also als jemand, auf den alle Schuld geschoben wird.
Bei den Amokläufen, die hier in Deutschland stattgefunden haben ist das ja genauso gelaufen: Da waren es dann gewalthaltige Computerspiele.
Menschen suchen, gerade im Angesicht des unbegreiflichen -und seien wir ehrlich, für jemanden der sich nicht in der Rolle des Amokläufers befindet ist die Tat unbegreiflich- nach einfachen Antworten zu suchen.
Der Täter von Winnenden hat Doom gespielt, also macht Doom aus harmlosen Menschen geistesgestörte Massenmörder. So geht die Argumentation.
Nun ist es aber so, dass viele Menschen, die sonst keiner Fliege was zuleide tun, brutale Computerspiele spielen, und den offensichtlichen Unsinn sofort erkennen. Da es wesentlich weniger Menschen gibt, die etwas über Autismus wissen als Computerspieler, funktioniert diese Art des Arguments besser in der Breite, als das Computerspieleargument. Dem kann man eben nur entgegenwirken, in dem man die Menschen über Autismus aufklärt. Und genau da kommen die Journalisten ins Spiel.
@EinAugenschmaus @LarsWienand was Autisten dazu sagen, kann man ja auf http://t.co/DlgltwNiqA nachlesen. Oder hier http://t.co/oDz7j4ArPu