Gestern habe ich eine Rezension zum Buch Why „I Left the Amish: A Memoir“ veröffentlicht und prompt flattert mit heute ein spannender Link auf Twitter zu.
Die Autorin des Buchs wird von der Filmemacherin Anne Barbano zu ihrem Buch interviewt. Sie reden über geschlossene Kulturen und über Autismus bei den Amischen. Amische Gemeinschaften wurden u.a von der MMR-Impfschädenlegende als Beleg herangezogen und die geringeren Fallzahlen mit dem Impfverzicht amischer Familien erklärt. Saloma Miller Furlong äussert andere Vermutungen. Zum einen ist der Genpool amischer Gemeinschaften sehr klein. Heiraten zwischen Cousins und Cousinen zweiten Grades sind eher die Regel als die Ausnahme. Enthielte der Genpool also wenige der, am Entstehen von Autismus beteiligten, Gene, wäre ein geringeres Vorkommen wahrscheinlich{{1}}. Ausserdem vermutet die Autorin, dass Autisten in amischen Gemeinschaften vielleicht oft nicht erkannt werden.
Das ist eine Erklärung, die ich gut nachvollziehbar empfinde. Es wäre durchaus vorstellbar, dass sprechende Autisten in einer Gemeinschaft, die stark auf Traditionen und Rituale setzt und quasi die Variablen des sozialen Zusammenlebens auf ein überschaubares, religiöses Regelwerk zusammengedampft hat, gar nicht sonderlich auffallen. Solange ein Autist nicht zu sehr eingeschränkt ist, dürften amische Familien nicht auf eine Diagnose drängen.
Das Interview ist 34 Minuten lang.
[[1]]Der kleine Genpool bleibt natürlich nicht ohne Nachteil. Während die Prävalenz für Autismus in amischen Gemeinschaften niedriger zu liegen scheint, als im Durchschnitt, sind sie stärker von anderen Erbkrankheiten betroffen, wie dem Cohen-Syndrom. Manche Erbkrankheiten kommen sogar ausschließlich bei den Amischen vor.[[1]]