Liebe Silke Burmester


Heute erschien Ihre Spiegel-Kolumne über Behinderung und Sprache, in der Sie die Frage aufstellen, was wir Menschen mit Behinderungen eigentlich wollen, und postulieren, dass wir uns – in der Essenz – doch bitte nicht so haben sollen. Schlechte Witze wären nun mal gelebte Inklusion.

Frau Burmester, ich verstehe durchaus Ihre Verunsicherung und die Verunsicherung anderer Textarbeiter. Die Ansichten, wie man über Menschen mit Behinderungen berichten darf, verändern sich derzeit in rasender Geschwindigkeit. Das führt manchmal auch zu übertriebener Vorsicht. Unsicherheit mögen Journalisten aber gar nicht. Sie müssen ja mit der Sprache arbeiten und dazu brauchen sie allgemein anerkannte, belastbare Richtlinien, was in Ordnung ist und was nicht. Mit Ihrer Kolumne versuchen Sie diese Sicherheit herzustellen und dazu erklären Sie Menschen mit Behinderungen, wie diese Behindertenwitze zu rezipieren haben.

Wären Sie ein Mann, würde ich Ihre Ausdrucksweise mit dem schönen Wörtchen ‚mansplaining‘ beschreiben. Leider gibt es noch keinen passenden Begriff für den Umstand, bei dem Nichtbehinderte Menschen mit Behinderungen die Welt und die richtigen Reaktionen auf die Welt erklären. Es wäre an der Zeit dafür.

Aber erst einmal will ich Ihre Frage beantworten, was Menschen mit Behinderungen eigentlich wollen. Die Antwort darauf lautet: Respekt.

Was Sie dagegen fordern, ist der Freibrief, uns  Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen, Ignoranz und blankes Unwissen nun nicht mehr direkt, aber dann wenigstens im Kleid der Satire vor die Füße rotzen zu dürfen. Alles total lustig und wer nicht mitlacht, oder gar den Mund aufmacht, ist ein Spielverderber.

Nein, Frau Burmester, Sie und andere Journalisten behandeln uns nicht so scheiße wie alle anderen auch. Sie behandeln uns deutlich mieser. Ständig werden wir in den Medien kleiner und hilfloser gemacht als wir sind. Man schreibt, berichtet, filmt über unsere Köpfe hinweg. Man lässt Eltern reden, Betreuer, Heimpersonal, Sonderpädagogen – aber selten uns. Wir leiden unter unserer Behinderung, sind an Rollstühle gefesselt, leben in immerwährender Dunkelheit oder in unserer eigenen Welt. Gäbe es ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis, bräuchte es Projekte wie Leidmedien oder Aufgerollt gar nicht. Tatsächlich gibt es wenig behinderte Journalisten und noch weniger Journalisten, die bereit sind, sich auf Menschen mit Behinderungen einzustellen und sie zu Wort kommen zu lassen.

Wir spielen nicht auf Augenhöhe und deswegen sind Behindertenwitze auch keine gelebte Inklusion. Sie entsprechen dem, was man in der Comedy  als ‚Punching Down‘ bezeichnet. Sie treten nach unten, wo kein Widerspruch und keine Gegenwehr erwartet wird. So ist auch der rotzige Kommentar des TAZ-Kollegen zu verstehen. Von Nicht-Betroffenen lässt er sich gleich gar nichts sagen, von Betroffenen erwartet er kein Aufmucken. Stattdessen phantasiert er sich noch ein kumpelhaftes Telefonat zusammen. Das ist keine Inklusion. In jeder Handlung, jeder Aussage, scheint die alte Erwartungshaltung durch, dass Menschen mit Behinderungen leise und dankbar zu sein haben, aber keinesfalls laut und wütend.

Leise und dankbar, statt laut und wütend. Genau diesen Wunsch drücken auch Sie in ihrem Text aus, Frau Burmester. Wir sollen den Umstand, wie Dreck behandelt zu werden, als Inklusion begreifen.

Frau Burmester, erweisen Sie uns erst einmal den nötigen Respekt. Dann können wir irgendwann über Behindertenwitze reden.

 

 

 


42 Comments Liebe Silke Burmester

  1. Mundpilz

    Danke
    Der Behindertenwitz als gelebte Inklusion darauf kann nur der Spiegel kommen….

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  2. Alex

    So ganz pauschal „Behindertenwitze als gelebte Inklusion“ zu verstehen ist mMn eine steile These.

    Ehrlich gesagt war ich ein wenig verwundert, dass in der TAZ solche eine Satire erschien … ich dachte bisher immer, dass derart streitbare Satire in ausgewiesenen Satiere-Magazinen erscheint … aber gut: Die TAZ darf sich dafür oder dagegen entscheiden und ich hab wieder was gelernt.

    In diesem Kommentar soll es aber um das BlogPost gegehen, zu dem er verfasst ist:
    Wie eingangs gesagt, kann man über die steile These streiten … und das sollte man auch. Denn Streitkultur ist für mich wesentlicher Bestandteil von Demokratie. Ich finde es also gut, wenn man mit einem BlogPost zur Kolumne von Silke Burmester reagiert.

    Was mich aber auch sehr wundert und ein wenig verstört ist folgender Abschnitt des BlogPosts: „Nein, Frau Burmester, Sie und andere … … Frau Burmester, erweisen Sie uns erst einmal den nötigen Respekt. Dann können wir irgendwann über Behindertenwitze reden.“
    Zugegeben, ich kenne Silke Burmester nicht und weiß nicht, wie sich sonst so über Menschen mit Behinderungen formuliert. Ich hab halt nur ihre Kolumne gelesen. Nur vor diesem Hindergrund kann ich mich über den benannten Abschnitt wundern:
    Dort wird auf einmal eine Kritik an der Kolumne von Silke Burmester aufgeweitet auf andere Journalisten … bis hin zu einem ungleichen Kräfteverhältnis in der Gesellschaft.

    -> Das verstehe ich so nun garnicht. Spricht Silke Burmester für „andere Journalisten“? Oder gar für „die Gesellschaft“? … Nein, das tut sie nicht: Sie hat eine Kolumne geschrieben. Da das BlogPost sich bereits eingangs so direkt an Silke Burmester wendet, finde ich diese fließende Überleitung von der Kritik an ihrer Kolumne über die Kritik an vielen Journalisten bis hin zur ganzen Gesellschaft als unangebracht … das Ganze gipfelt dann auch noch darin, dass schließlich auch noch der Stein des Anstoßes vermengt wird: Diese Satire von Michael Ringel.
    All das hat nix mehr mit Silke Burmesters Kolumne zu tun oder in einer an sie gerichteten Kritik verloren … es sei denn: Man nähme die Kritik an der Kolumne als Aufhänger für das BlogPost, um darüber den Einstieg in eine allgemeins Kritik an dem Zustand von Teilen der Jornalie und der Gesellschaft zu kommen.
    So fließend aber in ein Kritik an Silke Burmester verstört es mich doch ein wenig.

    Ja, ich teile die Ansicht, dass noch kein Zustand der Inklusion erreicht ist. Ich teile auch die Ansicht, dass allzu häufig, in journalistischen Texten zu unachtsam oder auch implizit diskriminierend gegenüber Menschen mit Behinderung formuliert wird. Und ich finde es daher auch gut, dass es solches Engagment wie #leidmedien gibt.
    Aber all das hat nix mit der Kolumne von Silke Burmester zu tun … ich verstehe ihre Kolumne ganz anders: Mehrfach weißt sie auf die Notwendigkeit für den größeren Teil der Gesellschaft hin, einen vernünftigen und inkludierten Umgang erlernen zu müssen.

    Trotz dieser, meiner Kritik an dem BlogPost, teile ich sehr viele Ansichten: vor allem den Aspekt „fehlende Augenhöhe“. Diese erreicht man mMn aber eher durch Evolution, als wenn man einzelnen Menschen, die offenbar schon einiges zu Inklusion richtig verstanden haben, vor den Kopf stößt … und genau an diesem „Vor den Kopf stoßen“ sehe ich die Motivation von Silke Burmester zur Verfassung ihrer Kolumne.
    Und genau in diesem Punkt kann ich ihr sogar komplett beispringen: Ich lass mich zu notwendigen Veränderungen bringen … das klappt aber -zumindest bei mir- besser, wenn man mich überzeugt.

    Noch ein Wort zum Schluß: Ich mag es ja nicht so, wie Silke Burmester es tat, „normal“ und „anders“ zu trennen, denn wenn man ein „Normal“ akzeptiert, dann ist das Andere immer auch das „Unnormale“ … und das „Unnormale“ dann das „Andere“ zu nennen, ist #Neusprech und überzogene und flasch verstandene Political Correctness. Aus meiner Sicht, ist das Begriffs-immanent: Norm … außerhalb der Norm … und das was außerhalb der Norm liegt ist sicherlich nicht inkludiert, sondern entweder exkludiert oder separiert.
    In dem Zusammenhang empfehle ich immer wieder folgendes Bild aus der deWP, welches Exklusion, Separation, aber vor allem Integration und Inklusion äußerst anschaulich darstellt: Ein Blick und jeder hat es verstanden … 🙂
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/86/Stufen_Schulischer_Integration.svg/220px-Stufen_Schulischer_Integration.svg.png

    viele Grüße

    Alex

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  3. Silke Burmester

    Liebe Frau Eckenfels, ich fühle mich missverstanden. Ich glaube, das liegt an den Verallgemeinerungen, die aus dem „Ihr Journalisten“ resultieren und daraus, dass Sie mich mit Michael Ringel in einen Topf werfen. Meine Haltung ist durchaus differenzierter, als Sie sie wiedergeben und weit davon entfernt, Dankbarkeit, Demut oder irgendetwas anderes einzufordern, dass Menschen mit Behinderung „unter“ Leute ohne Behinderung stellt. Ich finde es selbstverständlich, wenn Menschen mit Behinderung ihre Rechte und Teilhabe einfordern. Und weil das noch selten genug laut geschieht, finde ich es großartig, wenn es laut geschieht. Ich bin aber tatsächlich der Meinung, und jetzt wiederhole ich mich, dass Menschen mit Behinderung blöde Witze aushalten müssen. So, wie alle anderen auch. Im ersten Schritt. Im zweiten kann man sagen: „Das stört mich“, „das verletzt mich“ oder auch „ich finde es nicht richtig, dass wir Witze über Andere machen“. Aber das kann erst der zweite Schritt sein. Der erste ist, gleiches Recht für alle. Oder eben auch gleicher Scheiß.

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    1. Mela Eckenfels

      Hallo Frau Burmester.

      Danke für den Kommentar.

      Wie sie vielleicht an meinem Beitrag merken, finde ich, dass ihre Intention in der Kolumne nicht sehr gut rüberkommt.

      Was das Aushalten blöder Witze angeht, bleibt einem gar nichts anderes übrig. Schlechte Witze werden gemacht. Gute auch.
      Gute Satire und gute Witze enthalten mindestens ein Körnchen Wahrheit.

      Schlechte Satire und schlechte Witze, wie die von Michael Ringel, enthalten lediglich die Vorurteile des Autoren, beweisen seine Uninformiertheit oder schlicht seine mangelnde Phantasie und sind auch nur für Menschen lustig, die Vorurteile pflegen möchten.

      Solche Witze wirken sich nicht selten sehr greifbar negativ auf die Lebensrealität der Bespöttelten aus, daher kann man sie nicht kommentarlos stehen lassen. Wer also Menschen mit Behinderungen zum Ziel seiner Satire macht, dabei aber aus dem großen Faß Vorurteile und Nichtwissen schöpft, der muß sich das anhören. Auch als Journalist.

      Weil es Diskriminierung ist und kein Humor.

      In dem Sinne verstehe ich nicht mehr, was sie eigentlich in ihrer Kolumne sagen wollen. Diskriminierung ist schon okay, solange sie im Mäntelchen der Satire daherkommt?

      Nur ein Beispiel: Hätte Michael Ringel über Frauenfußball statt über Blindenfußball berichtet und die Probleme der Spielerinnen mit „Huch, Auszeit, mein Fingernagel ist abgebrochen“ oder „Ich habe den Pass vergeben, weil Schlamm auf mein Trikot gespritzt ist und meine Frisur nicht richtig saß“ dargestellt, würden sie das sexistisch finden. Fast alle anderen Leser würden es, ohne jede Diskussion, ebenfalls sexistisch finden.

      Daher: Entweder wir dürfen uns gegen als Satire getarnte Ignoranz, Ableismus und Vorurteile wehren oder nicht.

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  4. Silke Burmester

    Es ist absolut richtig, sich gegen Ignoranz, Ableismus und Vorurteile zu wehren. Und Ihr Beispiel, den Blindenfußball durch Frauenfußball und gängige Frauenklischees zu ersetzen, zeigt, wie blöd Michael Ringels Witz ist. Es ist kein intelligenter, kluger Witz, sondern ein altbackener, dessen Niveau man überholt hoffte. Es gibt jedoch einen Unterschied: Wir empfinden heute Äußerung wie die von Ihnen vorgeschlagene über den Frauenfußball als dämlich und unpassend vor dem Hintergrund eines sehr, sehr langen Weges, den Frauen im Kampf um Gleichberechtigung gegangen sind. Der offensive Kampf von Menschen mit Behinderung, und die Idee, von nicht sehenden Menschen, Fußball spielen zu wollen, ist nicht so alt und von daher ungewohnt und u.U. Erstaunen hervorrufend. Oder aber, jemand tut Letzteres als beknackt ab. Das kann ja auch sein. Im Fall von Michael Ringel jedoch von einer „Entgleisung“ zu sprechen, ist völlig unsouverän. Statt auf seine billige Provokation reinzufallen und „Empörung!“ zu schreien, wäre es viel souveräner, ihm zwei Karten für das nächste Spiel zu schicken. Aber nein, man lässt sich provozieren und zeigt, dass man bitte doch eine Sonderbehandlung will und zwar die: Keine Witze über uns.

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    1. Mela Eckenfels

      Ah, ich denke wir nähern uns dem Kern, an dem wir uns uneins sind und ich kann und will ihnen immer noch nicht zustimmen.

      Sie vergleichen nämlich etwas, dass nicht vergleichbar ist und sie empfinden beleidigende Scherze über Menschen mit Behinderungen als etwas das zwar lästig ist, aber auch harmlos.

      zu Punkt 1 – Vergleichbarkeit/Sonderbehandlung:

      Wir fordern keine Sonderbehandlung. Im Gegenteil. Wir fordern, dass die grundlegenden Regeln der Höflichkeit und des Respekts endlich auch für uns gelten. Ein Scherz der Machart Michael Ringels hätte, wäre er gegen eine fremde Kultur, eine ethnische oder sexuelle Minderheit vorgebracht worden, auf jeden Fall die Interessenvertreter jener Gruppen auf den Plan gerufen. Je nachdem wie verletzend und beleidigend genau die jeweilige ‚Satire‘ geraten wäre, wären auch Rücktritte oder Entlassungen gefordert und unvermeidlich gewesen. Witze, die ich auf derartigem Niveau und mit falschen Darstellungen über andere Menschen machen, haben vor Gericht auch einen ganz hübschen Namen. Man nennt sie Verleumdung oder Beleidigung.

      Es geht hier nicht drum Sonderbehandlung einzufordern, sondern wir verlangen von der Gesellschaft, dass sie akzeptiert, dass auch wir uns nicht mehr jedes Niveau gefallen lassen müssen. Einfach gleiches Recht für alle.

      zu Punkt 2 – lästig aber harmlos:

      Als Medienmensch ist ihnen sicherlich bewusst, dass man Wahrheiten schafft, in dem man etwas nur oft genug wiederholt. Dabei ist es egal, auf welchem Niveau man es wiederholt – ob es ernst daherkommt oder in Satire verpackt ist. Und sie haben keine, wirklich absolut keine Vorstellung davon, wie hartnäckig Vorurteile sind, die sich nur durch regelmäßige, witzig gemeinte Wiederholung in das Gedankengut der Menschen eingeschlichen haben und nun als wahr gelten.

      Sie machen sich keine Vorstellung davon wie negativ sich diese Vorurteile auf den Alltag von Menschen mit Behinderungen, auf ihren Umgang mit anderen Menschen und ihre Lebensqualität, auswirken können.

      Solange die Auswirkungen auf Menschen mit Behinderungen so gravierend sind, ist es keine Sonderbehandlung, sondern notwendiger Selbstschutz.

      Deswegen geht es hier nicht um eine Satire, sondern um Diskriminierung. Es geht nicht um eine Sonderbehandlung, sondern um das allgemeine Menschenrecht, nicht wegen seiner Sexualität, seiner Religion, seiner Herkunft oder seiner Behinderung diskriminiert zu werden.

      Man kann Diskriminierung cool begegnen (Karten zuschicken) oder mit einer notwendigen aber uncoolen Reaktion (laut und öffentlich widersprechen und eventuell Konsequenzen fordern). Die coole Reaktion hätte in diesem Fall nur Michael Ringel erreicht, aber seine ‚witzigen‘ Behauptungen wären unwidersprochen geblieben. Das halte ich nicht für zielführend. Nur Widerspruch kann helfen Aufklärung zu schaffen und das Bild von Blindenfußball auch beim letzten Vollpfosten gerade zu rücken.

      Sie sagen, der Text Michael Ringels sei eine dumme Provokation. Ich hätte eher vermutet, dass es sich um Ignoranz im Endstadium handelt. Aber sie kennen ihn, durch ihre TAZ-Mitarbeit, sicherlich besser und können ihn eher einschätzen als ich es kann.
      Ich habe gerade – leider – einen Blick auf seinen Wikipedia-Eintrag geworfen. Jeder Vergleich den ich nun ziehen könnte, würde entweder Neanderthaler oder Primaten beleidigen, daher lasse ich es.

      Sollte ich ihm jemals persönlich begegnen, werde ich ihm einfach eine Rassel schenken. Ich denke, das ist etwa die Ebene, die er verstehen wird. Satire muss schließlich verletzen um zu wirken.

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  5. Alex

    Den Hinweis auf „wie wehrt man sich“ halte ich für sehr wichtig.
    Diesen Aspekt hatte ich weiter oben auch angeführt: Rundumschläge, Verallgemeinerungen und auf-Gegners-Niveau-Sinken irritiert die Teil-Verstehnenden, befeuert die Ablehnenden und ermöglicht Letzteren auch noch ein „Siehste, hab ich’s doch gesagt“ auszurufen … kurz-um: es schadet der Sache und der eigenen Position.

    Noch ein Hinweis:
    Im Kommentar von 09-12 0150 ist es erneut passiert: Da wird gegen Silke Burmesters Kolumnen-Beitrag argumentiert unter Bezugnahme auf Michael Ringels Satire (als pars pro toto) … Ich finde: Silke Burmesters Kolumnen-Beitrag ist vermutlich als Reaktion auf die Aufregung um Michael Ringels Satire verfasst worden. Aber sie nimmt nicht die Sicht Michael Ringels an, sondern tritt dieser differenziert entgegen und fragt satt dessen in Richtung der Aufgeregten.
    Ja, den Kolumnen-Beitrag könnte man kritisieren (sofern man dies so sieht) … die Kritik daran aber mit Michael Ringels Satire, Teilen der Journalie oder gar der Gesellschaft zu vermengen, wirkt wenig differenziert und souverän und damit leider auch wenig überzeugend.

    Viel spannender und angebrachter hielte ich eine ausführliche Analyse der Satire von Michael Ringels … mglst. vor wissenschaftlichem oder satire-theoretischem Hintergrund. Aus der Perspektive: Witz und Satire sind OK, was aber genau macht Michael Ringels Beitrag satire-theoretisch betrachtet schlecht/platt, aus Betroffenensicht diskriminierend oder auch gesellschaftlich betrachtet gefährlich?
    Es wäre der Sache viel zuträglicher, darzulegen, was an der Satire das Problem für eine inkludierte Gesellschaft ist.
    Oder am Beispiel von #leidmedien: Dort geht man hin und legt dar, was genau an Formulierungen in veröffentlichten Texten das Problematische ist … „leidet an Asperger“ beispielsweise, ist ein Formulierung, die sich über viele Jahrzehnte ins allgemeine Sprachempfinden eingeprägt hat. Statt sich drüber aufzuregen, geht #leidmedien hin, erklärt und sensibilisiert für die versteckte Diskriminierung und implizite Bevormundung von Menschen mit Asperger-Syndrom durch die Wortwahl. Dem Nutzer der Worte die Bedeutung derselben zu erläutern ist zielführender, als dem Nutzer Diskriminierung vorzuwerfen.
    Es liegt in der Natur des Menschen: Wer sich angegriffen fühlt (beispielsweise durch einen Diskriminierungsvorwurf), verteidigt sich eher, als dass er sich noch offen für Sachargumente zeigt.

    … das Ganze lässt sich auch kommunikationstheoretisch darlegen: … „die 4 Seiten einer Nachricht“ bzw. „Feedback-Regeln“. Wer in einem Feedback zu sehr mit „Du-Botschaften“ agiert, hat weniger Erfolg als jemand, der in seinem Feedback darüber spricht, wie er die Situation empfunden hat und was diese bei ihm ausgelöst hat.

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    1. Alex

      … eine tolle Reaktion … richtig so … das lohnt sich auch via twitter cross-zu-posten …

      Inklusion ist für mich übrigens, wenn man auf die Stärken des Einzelnen schaut und ihn bei den individuellen Schwächen unterstützt. Erst die Blickrichtungsänderung auf die individuellen Stärken macht Inklusion möglich: Eine moderne, extrem arbeitsteilige Gesellschaft macht es notwendig, dass Vielfalt gefördert wird: Es muss Solche und Solche geben, aber erst gemeinsam und miteinander funktioniert es richtig gut.

      … wenn das Spiel zustande kommt, würde glatt nach Marburg fahren wollen.

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  6. Pingback: Witze über Menschen mit Behinderung – Gedanken zu Ableismus und Inklusion | textGedanKen

  7. Silke Burmester

    Liebe Frau Eckenfels, eine ausführlich Antwort auf Ihre Replik kommt später. Aber schon mal meine Freude über den Brief der Fußballmannschaft. So geht es doch: Auf gleicher Eben zurückschießen. Darauf warten wir Normalos.

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    1. Mueller7de

      Frau Burmester, jetzt reicht es aber endgültig!
      Die Umgangsformen von Frau Eckenfels sind nicht zu beanstanden.
      Sie machen sich endgültig unmöglich!

      Reply
  8. Ingo Leschnewsky

    Du schriebst: „Es geht hier nicht drum Sonderbehandlung einzufordern, sondern wir verlangen von der Gesellschaft, dass sie akzeptiert, dass auch wir uns nicht mehr jedes Niveau gefallen lassen müssen. Einfach gleiches Recht für alle.“

    „Gleiches Recht für alle“ heißt für mich: Auch Behinderte, Frauen oder Juden müssen sich genauso wie ich so manches Niveau gefallen lassen. Oder einfach wie beim Privatfernsehen weggucken. Alles andere wäre eine Sonderbehandlung.

    Übrigens habe ich die besten Blindenwitze von Blinden selbst gehört. Wenn ich – als Sehender – solche Witze dann weitererzähle, bin ich dann respektloser als die Blinden, von denen ich sie gehört habe?

    Reply
    1. Sven

      „Übrigens habe ich die besten Blindenwitze von Blinden selbst gehört.“ – und genau das ist ein Unterschied (Stichwort „punching down“ vs. „gleiche Augenhöhe“

      „Wenn ich – als Sehender – solche Witze dann weitererzähle, bin ich dann respektloser als die Blinden, von denen ich sie gehört habe“ – kommt auf den Kontext an. Im Zweifel: wahrscheinlich ja.

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    2. Mela Eckenfels

      Es geht nicht um die witzigen Witze oder die Witze mit einem Körnchen Wahrheit und auch nicht darum wer den Witz reisst. Es ging um als Satire getarnt Vorurteile und Diskriminierung.

      Nebenbei befremden mich Kommentare, die postulieren, man müsse sich Diskriminierung gefallen lassen.

      Reply
      1. Ingo Leschnewsky

        Die würden mich auch befremden. So wie mich auch befremdet, wie man in diesem Fall überhaupt von Diskriminierung sprechen kann. Sicherlich im eigentlichen Sinne von „Unterscheidung“. Aber diese Unterscheidung ist sogar notwendig, damit manche Witze überhaupt funktionieren. Sind Inselwitze für Schiffsbrüchige diskriminierend, weil gezielt über eine bestimmte Eigenschaft gelacht wird, die die Schiffbrüchigen ausmacht?

        Es ist auch etwas ganz anderes, ob ich z.B. Juden im Witz etwas zuschreibe (um sie schlecht dastehen zu lassen), oder ob ich eine zutreffende Eigenschaft für einen Witz nutze. Wie z.B. in The Big Bang Theory, wo häufig jüdische Bräuche und Gesetze für einen Gag herhalten müssen. Aber sicherlich gibt es auch da ultraorthodoxe Juden, denen diese Scherze zu weitgehen.

        Kurz gesagt: So blöd der Ringelwitz auch war – mit einem Gehörlosen hätte er so gar nicht funktioniert. Und blind zu sein, ist weder eine schlechte Eigenschaft, noch etwas, was der Herr Ringel sich ausgedacht und dem „Opfer“ seines Witzes zugeschrieben hätte.

        Ich habe nur geschrieben (nicht postuliert), man muss sich niedriges Niveau gefallen lassen, als Behinderter ebenso wie als Nichtbehinderter. Gleiches Recht für alle.

        Und wenn ich als Sehender keine Blindenwitze erzählen darf, dann dürfen Sehende – wie Du – auch nicht Blinden erklären, durch was sie sich diskrimiert fühlen sollen. Das ist nämlich ebenso respektlos.

        Ich habe zwar meinen Asperger-Test knapp nicht bestanden, doch habe ich so viele Jahre beim Blindensport – als Helfer und Trainer – mitgemacht, dass ich recht gut weiß, wodurch sich Blinde diskriminiert fühlen. Und es sind *nicht* blöde Witze…

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  9. Silke Burmester

    Für mich ist momentan erst mal alles gesagt. Interessant finde ich den Ansatz von Alex, den „Witz“ von Michael Ringel anzugucken. Da es meiner Meinung nach nicht darum gehen kann, grundsätzlich keine Witze zu machen, die Menschen mit Behinderung zum Inhalt haben, geht es darum auszuloten, wo die Grenzen liegen. Was die Diskriminierung ausmacht, was einen okayen Witz von einem indiskutablen unterscheidet.

    Reply
    1. Alex

      herrlich 🙂

      So kommen wir mMn weiter.

      Ich betrachte die Dinge übrigens als in einem ständigen Fluss begriffen. Ein hoffentlich unverfängliches Beispiel: Als Ende der 80er RTL auf den TV-Markt trat, war es ein massives deutschlandweites Thema über Monate, dass dort Tutti-Frutti lief und schon mal sekundäre Geschlechtsmerkmale weiblicher Menschen zu sehen waren.
      Nein, ich will nicht auf das Niveau von Tutti-Frutti hinaus … es geht mir um den Wandel: Heutzutage scheint es weitestgehend akzeptiert, dass regelmäßig (auch tagsüber) in Fa-Werbung entsprechende Geschlechtsmerkmale gesendet werden.

      Das Beispiel bringt mich zurück zu dem Punkt: Blindenfußball ist noch relativ neu … daher werden das viele Menschen nicht kennen und vor allem -und darum geht es mMn- keinerlei persönliche Erfahrung damit haben und folglich auch nicht wissen, wie man damit so umgehen kann bzw. sollte.
      Nein, ich entschuldige damit nicht den Text von Michael Ringel.
      Es geht mir darum, dass es Aufklärung braucht für die Dinge außerhalb der eingenen Wahrnehmungs-Bubble.

      Ich berichte mal aus meiner Biografie: Vor 20 Jahren hatte ich erstmals intensiven Kontakt mit einem Gebärdensprachler … es war der Bruder eines guten Freundes. Er befand sich damals in der Ausbildung zum Tischler (kombiniert: also praktisch in einem Betrieb mit Hörenden und der schulische Teil in einer Einrichtung für Gebärdensprachler). Praktisch war er super, aber in der Theorie hatte er stets Probleme. Da ich selber kurz vorher sehr erfolgreich dieselbe Ausbildung (allerdings als Hörender) absolviert hatte, trafen wir uns fortan häufig und ich half ihm die Dinge zu lernen. Das war mächtig ungewohnt für mich, da ich keine Gebärdenspräche beherrschte. „Wie erklärt man den Zusammenhang bei einem Kreissägeblatt von Schneidenflugkreis, Anzahl der Sägezähne und der Vorschubgeschwindigkeit“, wenn man in unterschiedlichen Sprachen unterwegs ist?
      … Naja, gemeinsam haben wir es geschafft und er arbeitet immer noch glücklich in dem Betrieb – seither als Tischlergeselle.
      Ich weiß nicht mehr, ob ich vorher Witze über Gebärdensprachler gemacht habe oder nicht … der Punkt ist aber: Vorher war mir diese Welt völlig fremd … durch ihn habe ich viel gelernt … wir haben nachher auch gemeinsam Möbel gebaut und Ideen ausgetauscht (betont sei hier: Auch er hat mir Tipps gegeben und Vorschläge gemacht).

      Falls ich vorher Witze gemacht haben sollte, dann passierte das in meinem Fall nicht aus Diskriminierungsvorsätzen heraus … es geschau, wenn überhaupt, aus purer Unwissenheit.

      Das Thema Inkusion hat für mich sehr grundlegend mit Sich-Kennenlernen zu tun (im Sinne des Überwindens der eigenen Wahrnehmungs-Bubble).

      Ein anderes Beispiel:
      Als ich viele Jahre jünger war als in dem o.g. Beispiel, war ein sehr guter Kumpel mit dunkler Hautfarbe unterwegs … er hatte nie ein Thema mit dem Begriff „Neger“, bezeichnet sich selber so und so war es für mich auch nie ein diskriminierender Begriff. Viele Jahre später – während meines Studiums- kam das Thema erneut auf und ich wurde ob der Verwendung des Begriff „Neger“ als rassistisch bezeichnet … ok, ich habe gelernt, dass dieser Begriff als diskriminierend verstanden werden kann und seither nutze ich ihn nicht mehr.

      Worauf will ich hinaus in diesem Fall?
      Ganz einfach: Es ist ein Defizit vieler Sehender, wie sie mit Nicht-Sehenden umgehen. Das ist der Punkt. MMn geht es um „Aufklärung der Sehenden“ und nicht um Diffamierung derselben als Diskriminierer.

      Ich will hinaus auf „Hanlon’s Razor“: http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&ved=0CDMQFjAA&url=http%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FHanlon%25E2%2580%2599s_Razor&ei=UPmlUu69GoTDswbp0IGYCA&usg=AFQjCNEdDlRwpPAyMHo1-jLITTY_zpstLA&sig2=uS7AIouRoA8GxLswk6M16w&bvm=bv.57752919,d.Yms
      „Nimm niemals Böswilligkeit an, wenn Dummheit hinreichend ist.“ … auf den ersten Blick ein harter Satz … gemeint ist aber mit „Dummheit“ vor allem „Unwissenheit“.
      Seit ich Hanlon’s Razor kennen gelernt habe und diesen in mein Leben eingebaut habe, kann ich viel gelassener mit sehr vielen Dingen umgehen: Das Gegenüber meint es nicht böse, er weiß es einfach nur nicht besser.

      Ja, ich weiß: Im deutschen Recht gilt „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“. Aber Recht und gesellschaftliches Zusammenleben sind 2 Paar Schuhe. Die Frage ist doch: Will ich im gesellschaftlichen Zusammenleben (mglst. inkludiert) den Fokus auf Bestrafung legen oder darauf, das Gegenüber zu überzeugen und zu einer besseren Interaktion innerhalb der Gesellschaft bewegen?

      In meiner Welt liegt der Fokus von Strafe auf Einwirkung-zur-Erkenntnis-des-Besseren. Eine Strafe, die nur Bestrafung auslöst, halt ich für sinnlos, ineffektiv und unwirtschaftlich.
      Genauso sehe ich es bei der Inklussion: Ein Aufschrei gegen vermeintliche/empfundene Diskrimierung sehe ich ähnlich. Die Frage ist: Will man Aufschreien oder Verändern?

      … und entsprechend sollte man seine Reaktion ausrichten.

      PS: Selbst bei bei persönlicher Verletztheit, stelle ich mir immer die Frage: Will ich Vergeltung oder Veränderung? … danach versuche ich mein Handeln auszurichten.

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  10. Sven Scholz

    Immer wieder faszinierend, wie Privilegierte gegenüber Nicht-Privilegierten versuchen, jegliche Zweifel an ihren Privilegien mehr oder weniger geschickt umzudeuten. Am Ende sollen die Nicht-Privilegierten sich auch noch privilegiert fühlen, wenn die Privilegierten sich auf ihre Kosten über sie lustig machen und sind „beleidigt“, wenn diese dafür nicht dankbar sind. Tse.

    Reply
      1. Alex

        … Ich bin ja für konstrutive Kommunikation.

        MMn geht es nicht um Priviligierte vs. Nicht-Priviligierte, sondern um Peargroups und #WahrnemungsBubbles.

        Ich selber hab mal mein Abitur gemacht … irgendwann fiel mir auf, dass ich nur Abiturienten zu meinen Kontakten zähle. Die einzigen Nicht-Abiturienten mit denen ich zutun hatte, waren mit mir verwandt.
        SRY, da kann ich nix für … das hat sich so ergeben … ich bin also nicht priviligiert, sondern _eingeschränkt_ durch meine #WahrnehmungsBubble.

        Genauso ist das mit den Themen rund um Inklusion: Wenn man nix damit zu tun hat, dann beschäftigt man sich auch nicht damit … ich bin da sehr offen: Berichtet mir, erklärt es mir: Nur dann kann ich (und andere) die eigene #WahrnehmungsBubble überwinden.

        Ein #Aufschrei allein hilft da nix: Es braucht auch immer die Erklärung!

        … und stupide den Anderen zu verunglimpfen als Rassist, als behindertenfeindlich oder was auch immer ist _nur_ kontraproduktiv. Es ist immer besser, Lösungen aufzuzeigen, als Vorwürfe zu erheben!

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  11. Pingback: Witze über Behinderung, was geht und was nicht? › Leidmedien.de - Über Menschen mit Behinderung berichten.

  12. Steffi V

    Warum soll sich überhaupt jemand blöde Witze gefallen lassen? Wer Stereotypen bedient, egal welche, muss sich auch bei „Normalos“ (bitte wer?) kritisieren lassen. Grundsätzlich gilt meines Wissens aber auch die Grundregel, dass nach unten austeilen immer den üblen Beigeschmack von „deine Armut kotzt mich an“ hat. Schließlich leben wir DE FACTO eben nicht in einer gleichberechtigten Gesellschaft und so erkennt man diesen Sachverhalt zumindest implizit wenigstens an.

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  13. Pingback: Mädchenmannschaft » Blog Archive » Crosspost: Liebe Silke Burmester

  14. Pingback: Warum ich ein schlechtes Erklärbärchen bin | riot_nrrrd

  15. ENA

    “Of all tyrannies, a tyranny sincerely exercised for the good of its victims may be the most oppressive”
    -” C.S. Lewis

    Reply
  16. Harald

    „Je nachdem wie verletzend und beleidigend genau die jeweilige ‘Satire’ geraten wäre, wären auch Rücktritte oder Entlassungen gefordert und unvermeidlich gewesen. “

    Wenn Sie sich da mal nicht verheben, Frau Eckenfels. Sie messen dem Übel einen Platz zu, auf dem es sich in der deutschen Zivilgesellschaft nicht wiederfindet. Gewiss wirkt der gerechte Zorn auch in Ihnen. Man mag diesen Lapsus gütig übersehen, wenn man die Behinderung, an der Sie leiden, dagegen aufwiegt.
    Grüße, H v Strehne

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    1. Mela Eckenfels

      Gehen Sie direkt zu leidmedien.de. Gehen Sie nicht über Los. Ziehen Sie keine Karte ein. Und stecken Sie sich ihr Mitleid dorthin wo die Sonne nie scheint.

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      1. Alex

        … schade, Mela Eckenfels: Jetzt ist das Niveau doch im Keller angekommen 🙁

        Souverän für eine Sache eintreten, bedeutet immer: Sich niemals auf das Niveau der Anderen herabbegeben.

        Ganz ehrlich: Ich bin nicht gewillt mich für eine gute Sache einzusetzen oder mich auch nur dafür zu interessieren, wenn Engagierte / Betroffene derart das übliche, konstruktive Niveau unterschreiten.

        Ich kann mich nur wiederholen: #Aufschrei bringt nix ohne Erklärung … statt Verallgemeinerungen bitte Konkretes … statt Vorwürfe bitte die Wahrnehmungs-Bubble der Weniger-Wissenden aufbrechen. Und zum Abschluss: Niemals das gebotene Niveau unterschreiten … wer auf Augenhöhe wahrgenommen werden will, muß entsprechend souverain agieren.

        Wer sich nicht aufrichtet und stattdessen unsouverain daher kommt, bleibt unter meiner Wahrnehmungsschwelle. Das betrifft -aus meiner Sicht- keineswegs die typisch-diskriminierten Gruppen, sondern jeden einzelnen Menschen … auch den, der sagt: „Deine Frisur ist shice.“

        Ich bin raus aus dem Thema und wünsche noch viel Spaß beim #Aufschreien.

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  17. Michael Wahl

    Ich muss leider sagen, das Übliche: Statt den Text von Silke Burmester zu kommentieren versuchst du einen Unterton hinein zu lesen, der weder drin steht noch von ihr intendiert war. Ich fürchte, solange Behinderte mit Nicht-Behinderten so umspringen, ist keine Inklusion möglich.

    Grüße ein Blinder, der Blindenfußball totlangweilig findet, wenn ich das darf

    Reply
  18. Medusa

    Gibt doch eine einfache Faustregel, wieso ist das so schwer zu verstehen:
    Witze, die sich über Menschen aus einer benachteiligten/diskriminierten Menschengruppe lustig machen, weil sie dieser Gruppe angehören, bzw. über die Merkmale dieser Gruppenzuordnung, kann man sich sonstwohin stecken, weil sie auf dem Machtgefälle beruhen. Für wen das schwer nachzuvollziehen ist, einfach mal überlegen, ob es ein Witz-Äquivalent für Nicht-Behinderte, Nicht-Frauen, Nicht-Juden usw. gibt – meistens gibt es das nicht.

    Die Nicht-Betroffenen kennen die Diskriminierung gar nicht, werden gar nicht mit Bemerkungen und Witzen, die ihre Gruppenzugehörigkeit bespötteln traktiert, und wollen aus dieser bequemen Position noch Ratschläge erteilen, wie doch bitte mal mit Diskriminierung umgegangen werden soll – nämlich so, dass sie sich, auch gedanklich, kein Stück bewegen müssen. So lässt sich der für einen selbst bequeme Status quo natürlich gut verteidigen.
    Respekt, Zuhören, Versuchen zu verstehen – Fehlanzeige. Stattdessen satte Selbstzufriedenheit, mit der die Beschwerde der Betroffenen von Diskriminierung in die Wüste geschickt wird. Das nächste Mal am besten gleich so: „Haha, der Krüppel läuft gegen den Torpfosten! Voll lustig – würde mir ja nicht passieren!“
    Ehrlich gesagt: zum Würgen.

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    1. Ingo Leschnewsky

      Ein Grund, weshalb ich mich für benachteiligte und diskriminierte Menschengruppen stark mache, und deren Benachteiligung und Diskriminierung abschaffen möchte: Weil wir, wenn das geschafft ist und das Machtgefälle beseitigt wurde, endlich auch Witze über diese Menschengruppen machen dürfen, ohne dass Political-Correctness-Apostel den Zeigefinger in die Luft recken. So wie bei Blondinen-, Ärzte- und Ostfriesenwitzen, die wegen der bereits erfolgten Gleichstellung von Blondinen, Ärzten und Ostfriesen natürlich nicht mehr verboten sind…

      Und ich vermute, dass „würde mir ja nicht passieren“ nicht zutrifft, weil es genau diese Angst ist, dass es einem auch so ergehen könnte, die Sehende mit solchen Witzen verdrängen wollen. Ich vermute jedoch eher Unwissenheit, und ergänze daher wie folgt: „Haha, der Krüppel läuft gegen den Torpfosten! Voll lustig – Und gut, dass kein Blinder lesen kann, was ich für einen Blödsinn schreibe.“

      Denkste…

      Reply
  19. Klara

    @Silke Burmester:
    Ein wenig wiederhole ich wohl vieles, was bereits geschrieben wurde, aber würde doch gerne auf die Aussage von Frau Burmester eingehen, dass Behinderte blöde Witze aushalten müssten.
    Dazu ein kleiner Einblick in mein Leben als Rollstuhlfahrerin:
    Ich halte jeden Tag Witze aus. Große und Kleine. Spöttische Blicke, flüsternde, kichernde Menschen, Witze über mein Tempo und den Blitzer, Witze über meine komischen Schuhe, Lachen über meine schiefen Beine, Witze über die Art wie ich spreche. Ich halte sie aus. Immer.
    Ich möchte mich nicht nur als Opfer darstellen. Ich kann auch über mich lachen, auch gemeinsam mit anderen, und lese sehr gerne die „Mondkalb – Zeitschrift für das organisierte Gebrechen“.
    Dieses tägliche Erleben stellt die Forderung in einen anderen Kontext. Ein „witziger“ Zeitungsartikel ist nicht mal ein einzelner Witz, den ich ja auch mal aushalten könnte. Er ist einer von tausenden erlebten Erinnerungen daran, als anders wahrgenommen zu werden und in seltenen Fällen wirklich auch mal ERNST genommen zu werden. Gleichberechtigt sich gegenseitig zu veräppeln benötigt eben zuerst genau diese Grundlage: Gleichberechtigung.
    Dazu möchte ich mich auch den Kommentaren anschließen, die herausstellen, dass auch die Positon des Witzemachers von Bedeutung ist. Es gibt eine Hierarchie in dieser Gesellschaft, und bestimmte Witze werden gehört, andere verhallen.

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  21. Sebastian Heiser

    Ich arbeite als Redakteur in der Berliner Lokalredaktion der taz und finde den „Witz“ richtig schlecht. Zu meiner Schulzeit hatte ich viel Kontakt zu Blinden, weil in meiner Verwandtschaft mehrere Menschen in einem Internat für Blinde arbeiten und weil auch unser Nachbar blind war. Ich bin mit Blinden Tandem gefahren, ins Kino gegangen, habe Kegeln gespielt und einige Freundschaften geschlossen. Mein Bruder ist heute Trainer einer Blindenfußball-Bundesligamannschaft, erst vor ein paar Monaten habe ich zuletzt ein Spiel seiner Mannschaft besucht. Ich finde den Text bei uns in der Zeitung kein bisschen witzig, er gibt einfach nur die plattesten und dümmsten Klischees über Blinde wieder.

    Ich finde genau wie Frau Eckenfels, dass man Behinderten erst mal den nötigen Respekt erweisen sollte, bevor man irgendwann über Behindertenwitze reden kann. Ich finde allerdings anders als Frau Eckenfels, dass die taz diesen Punkt inzwischen erreicht hat.

    Mit dem für die Berliner Mannschaft spielenden Verteidiger Lars Stetten haben wir dieses Interview geführt, in dem es um den Verlauf eines Spieles geht:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2012/04/16/a0152

    Unser Bericht über das Ergebnis der zweiten Bundesligasaison:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2009/06/22/a0103

    Über Blindenfußball bei den Paralympics in London schrieben wir:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2012/09/07/a0121

    Ein Spielbericht Berlin/Würzburg gegen St. Pauli:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2008/03/31/a0172

    So trainiert die Mannschaft in Essen:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2006/07/06/a0051

    Bericht von einem Spiel vor dem Brandenburger Tor:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2007/08/24/a0195

    Hier schreiben wir über Sabrina Führer, die in einer der ersten geschlechtergemischten Blindenfussballmannschaften in Deutschland kickt:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2007/04/04/a0022

    Porträt des Spielers Matthias Brell:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2006/06/30/a0023

    Blindenfußball-Workshop am Olympiastadion Berlin:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2006/05/27/a0228

    Ein regelmäßiger Mitarbeiter der taz ist geistig behindert. Er hat bei uns eine meistens wöchentlich erscheindende Kolumne, die aus einem von ihm gezeichneten Bild und einem Protokoll seiner Erklärung des Bildes besteht. Hier die letzten Beiträge:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/12/20/a0131
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/12/13/a0191
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/12/06/a0138
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/11/15/a0138
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/11/08/a0199

    Auch außerhalb der Kolumne schreibt er bei uns über sein Leib- und Magenthema, die Behindertenpolitik:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/07/20/a0223
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2012/08/14/a0092

    Auch sonst ist unsere Berichterstattung seit 35 Jahren kontinuierlich von Respekt gegenüber Behinderten geprägt. Ich beschränke mich auf Beispiele aus den letzten drei Monaten:

    Zum 3Sat-Thementag zur Inklusion haben wir ein Gespräch gedruckt zwischen einer taz-Autorin mit infantiler Zerebralparese und einem freischaffenden Künstler mit angeborener Muskelerkrankung, die sich über Ausgrenzung und Anderssein unterhalten:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/12/03/a0102

    In dieser Reportage geht es um Soja Lasarewna, eine Rollstuhlfahrerin in Angarsk, Sibirien:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/12/03/a0086

    Hier beschreiben wir, wie lange pflegebedürftige Flüchtlingskinder auf Hilfsmittel warten müssen und dass sich keine Stelle für sich zuständig fühlt:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2014/01/02/a0183

    Ein Inklusions-Projekt in einem Supermarkt:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/11/01/a0128

    Ein Bericht über den Stand der Dinge bei dem Vorhaben, Bürgerschaftsanträge in leichte Sprache zu übersetzen:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/10/10/a0008

    Die Probleme von Maryem, einem zuckerkranken Mädchen, bei der Inklusion in der Schule:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/10/08/a0142

    Bericht von einer Veranstaltung, in der Behinderte über Sex diskutieren:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/10/14/a0114

    Interview mit Frank Heldt vom Betroffenenverein Netzwerk Förderkinder zur Inklusion in der Schule:
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2013/10/08/a0143

    Die Konsequenz für mich ist, dass wir uns bei der taz Gedanken darüber machen müssen, wie wir es schaffen, dass sich auch solche Artikel viel stärker verbreiten. Unsere Interviews mit Blindenfußballern oder unsere Spielberichte von Bundesligaspielen wurden leider nur sehr selten von unseren Lesern auf Facebook geliked und auf Twitter retweetet – ganz anders als dieser eine Text von unserer Satire-Seite. Wer nur diesen einen Text las, musste den Eindruck haben, den auch Frau Eckenfels hatte: dass die taz eine Zeitung ist, die von oben nach unten auf Menschen mit Behinderungen einschlägt, die sich auf Menschen mit Behinderungen nicht einstellt und sie nicht zu Wort kommen lässt. Wären wir dafür gesorgt, dass sich auch die oben verlinkten Texte viel weiter verbreiten, hätte dieser Eindruck nicht entstehen können.

    Und dann müssten wir noch das andere Problem angehen und dafür sorgen, dass unsere Behinderten-Witze auch wirklich witzig sind…

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  22. Dani

    @Sebastian Heiser: Da sieht man leider mal wieder, dass ein „Idiot“ mit dem Arsch all das einreißen kann, was andere mühsam aufgebaut haben – und leider auch, dass positive Leistungen (und das sind Ihre vielfältigen Berichterstattungen in diesem Bereich sicher) leider niemals so wahrgenommen werden wie eine einzelne schlechte Leistungen.

    Meiner Meinung nach war der „Witz“ in der TAZ einfach nur ein ganz schlechter, der die Leistungen eines Einzelnen herabwürdigt. Die Debatte, die dieser angestoßen hat, hat mich zwar oft (und ganz besonders in Gestalt des Artikels der unsäglichen Frau Burmester) geärgert, war aber wohl nicht unwichtig.

    Reply
  23. Pingback: Mela Eckenfels (@Felicea)

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